Das sagt das Gesetz ab 01.01.2020 |
Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern und Eltern sind nicht zu berücksichtigen, es sei denn, deren jährliches Gesamteinkommen im Sinne des § 16 des Vierten Buches beträgt jeweils mehr als 100 000 Euro (Jahreseinkommensgrenze). (...) Es wird vermutet, dass das Einkommen der unterhaltsverpflichteten Personen nach Satz 1 die Jahreseinkommensgrenze nicht überschreitet. |
Einen Tätigkeitsschwerpunkt in meiner Kanzlei bildete bisher der sog. Elternunterhalt.
Dieser Unterhaltstatbestand wird an der Schnittstelle von Sozial- und Familienrecht geregelt.
Seit Jahren beobachte ich mit Sorge, welche Lasten durch den sog. Elternunterhalt auf Eltern und Kindern liegen.
Endlich wird nunmehr hier eine seit langem notwendige Angleichung der gesetzlichen Regelungen vorgenommen.
Die bestehende Regelung, die bisher einen Unterhaltsrückgriff nur für dem Grunde nach Leistungsberechtigte der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Viertes Kapitel SGB XII) bis zur 100 000 Euro-Grenze ausschloss, wird ab 01.01.2020 in das für alle Leistungen des SGB XII geltenden Elften Kapitel SGB XII verschoben und angepasst.
Damit wird endlich das sozialpolitisch richtige Signal gesetzt, nämlich dass die Gesellschaft die Belastungen von Angehörigen pflegebedürftiger Familienmitglieder, seien es nun alte Eltern oder behinderte Kinder, anerkennt und eine solidarische Entlastung erfolgt.
Durch die Vermutungsregelung hat dann auch die Ausforschen der Einkommens- und Vermögenssituation der unterhaltsverpflichteten Angehörigen ein Ende.
Wie sieht dies in der Praxis aus: Solange keine Kenntnis über die Vermutung eines Einkommens über 100 000 Euro vorhanden ist, erfolgt keine Inanspruchnahme (Beispiel aus der Praxis: Vater erhält Sozialhilfe; als er beim Sozialamt vorspricht, frägt der sachbearbeiter nebenbei, was den der Sohn beruflich macht. Der Vater erklärt: Ach, der ist Chefarzt. Diese Auskunft ist ausreichend für die Erfüllung des Vermutungstatbestandes - der Sohn kann zur Auskunft aufgefordert werden).
Die Staatskasse beziffert den Ausfall an Unterhaltszahlungen grob auf 300 000 Millionen Euro jährlich.
Es gilt abzuwarten, wie dieser Einnahmenausfall seitens der Kassen der Sozialhilfeträger kompensiert werden wird.
Die Sozialhilfeträger haben neben der bisherigen Inanspruchnahme der Unterhaltspflichtigen eine Vielzahl an Rückgriffmöglichkeiten im Namen des sog. Nachranges der Sozialhilfe.
Es ist anzunehmen, dass ab 01.01.2020 das Augenmerk sich auf die Möglichkeit der Rückforderung von getätigten Schenkungen und die sog. Erbenhaftung konzentrieren wird.
Ist mit der Gesetzesänderung zum 01.01.2020 nunmehr endlich ein Zugriff auf das redlich verdiente Einkommen und Vermögen nicht mehr unbegrenzt möglich, gilt es auch das Familienvermögen insgesamt für die folgenden Generationen zu erhalten und vor einem Zugriff zu schützen.
Schenkungen, Übergabeverträge, Testamente und Pflegevereinbarungen gilt es sorgfältig auf die Möglichkeit eines zukünftigen Zugriffes Dritter zu prüfen.
Denn, was hat das beschenkte Kind von den Zuwendungen, wenn es diese bei einem Heimaufenthalt der Eltern wieder zurückzahlen muss?
Was hat ein erbendes Kind von dem Familienheim der Eltern, wenn von dessen Verkehrswert der Sozialhilfeträger die aufgewendeten heimkosten der vergangenen 10 Jahre einziehen kann?
Aufgrund der Gesetzesänderung zum 01.01.2020 ändert sich einzig der Blickwinkel; die Sicherung des Familienvermögens erfolgt nunmehr vorausschauend; der Unterhaltszahlung wurde gegenwärtig gefordert.
Praxistipp: Sollte der Schutz von Familienvermögen ein Motiv für eine Schenkung, eine Vermögensübetragung zu Lebzeiten, eine testamentarische Regelung sein, dann lassen Sie sich bei zeiten von einem hierauf spezialisierten Fachanwalt beraten. Nicht selten reicht eine notarielle Beurkundung nicht aus, da manchen Notaren der "sozialrechtliche" Blick nicht so geläufig ist.
Auch eine sog. Vorsorgevollmacht kann hier ein Steuerungsinstrument sein. Das Rechtsinstrument der sog. Flucht in die Schenkung kann zumindest einen teil des Vermögensverfalles im Ernstfall abwenden.
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